Fotos: Hamaro Fotografie
Durch den Umzug mit dem Blog nach WordPress, war ich gezwungen durch viele meiner alten Beiträge zu klicken und es fühlte sich nostalgisch an. Ich erinnerte mich daran, dass ich damals ohne Probleme mehrere Beiträge pro Woche veröffentlichte. Ich achtete weder auf Zahlen, Keywords noch auf die perfekte Inszenierung meiner Bilder. Es lies sich alles so schnell schreiben und veröffentlichen. Weil ich auch kurze Artikel über einen Gedanken loswerden konnte, weil ich einen Einkaufstipp geben konnte oder ganz knappe Reviews verfassen konnte mit nur einem einzigen Bild.
Als ich damals das Bloggen für mich entdeckte, war es eine virtuelles Tagebuch. Ein Zugang zu jungen Mädchen und Frauen in ganz Deutschland, die die selben Interessen teilen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich es die ersten Jahre als gutes Geheimnis hütete. Es war irgendwie peinlich sich selbst im Internet darzustellen, denn was hatte man denn als kleines Individuum schon Großes und Bedeutendes zu sagen?
Und gerade darum ging es. Es ging um die Meinungen der Mädchen von Nebenan. Es ging um Rezepte, Tipps, Ideen und Inspirationen von Menschen, die eine gute Freundin, eine Nachbarin oder eine entfernte Bekannte sein konnte. Wir knüpften Freundschaften, konnten uns fernab von inszenierter Werbemaschinerie über Produkte austauschen und sich mit den Menschen identifizieren. Wir tauschten uns aktiv über Themen aus, die uns interessierten und fühlten mit wenn persönliche Geschichten erzählt wurden.
Das Mädchen von Nebenan…
das wie Du und Ich hinter dem Bildschirm hockt. Das Mädchen von Nebenan mit ihrer ehrlichen Meinung, die aus eigener Neugierde und Faszination erzählt. Und eben nicht wie die Stars und Sternchen aus ihren perfekten Häusern, gestylten Frisuren und grandiosem Make Up für ihr Gelaber bezahlt wird. Das Mädchen von Nebenan, mit ihren schönen Momenten, aber auch mit ihren Tiefs und Problemen im Alltag.
Man hatte nicht dieses Gefühl verarscht zu werden – wie bei der Werbung für die Ultra-Bomben-Mega-Mascara in denen die Models alle falsche Wimpern tragen. Man konnte den Mädchen und jungen Frauen vertrauen, weil sie eben nicht perfekt waren – so wie Du und ich.
Gleichzeitig war es unglaublich erleichternd diese wunderschönen, jungen Frauen zu sehen, perfekt unperfekt. Frauen, die Macken und Kanten hatten – nicht die aufgespritzten Lippen, die Wallawalla-Mähne, die fächernden Wimpern und die gemachte Brüste. Die Anfänge vom Bloggen, Instagram und Youtube, die waren ‘nackt’ und wir liebten sie gerade dafür. Wir hatten neue Vorbilder, Menschen zu denen wir aufschauen konnten, zu denen wir wirklich Kontakt hatten und nicht irgendwelche gemachten Frauen, die wir in Klatschblättern und Hochglanzmagazinen sahen.
Und dann entwickelten sich die sozialen Netzwerke weiter. Influencer werden wie Stars gefeiert, bekannte Schauspieler und Sänger sogar aus Hollywood fangen sich auf Youtube und Instagram zu tümmeln. Sie wollen hautnah wirken und suchen nun den Kontakt zu ihren Fans oder vermeintlichen Freunden und direkten Followern. Die Welten zwischen Stars und Influencern haben sich vermischt.
Jaja, nicht schon wieder Gemotze über Influencer.
Nein, damit habe ich mich langsam abgefunden bzw. ich versuche es so gut wie möglich zu ignorieren und versuche meinen Platz in der virtuellen Welt zu finden.
Mein Problem ist unsere verschrobene Wahrnehmung von Schönheit, die dadurch entstanden ist. Plötzlich sieht man überall gemachte Gesichter, aufgespritzte Lippen, Wimpernverlängerungen und Brustvergrößerungen. Versteht mich nicht falsch, ich habe nicht per se etwas gegen Schönheitsoperationen. Jedem das seine und mit dem was er glücklich ist – jeder für sich.
Es geht mir darum, dass wir uns damals durch Beautyblogs und Instagram von dem dämlichen Schönheitswahn aus Hollywood distanzieren konnten. Jetzt ist dieser Wahnsinn schleichend erneut ausgebrochen und dieses Mal wirkt er auf mich viel größer und schlimmer. Warum?
Wir holen diese angeblichen Mädchen von Nebenan jeden Tag auf den sozialen Netzwerken über unsere Smartphones direkt in unser Zuhause. Sie geben uns ein Gefühl der vermeintlichen Nähe und gleichzeitig leben sie in der perfektionierten Parallelwelt. Gerade junge Mädchen haben immer mehr das Gefühl es sei in Ordnung sich die Nase machen zu lassen. Dass man sich halt an einem Spa-Tag die Nägel und Wimpern machen lässt und nebenbei mal die eine oder andere Spritze ins Gesicht jagt. Und dank Facetune habe ich gefühlt seit Monaten keine echte Haut mehr im Internet gesehen – nicht mal meine eigene.
Können wir uns von dieser verqueren Ästhetik fern halten?
Instagram, Facebook, Youtube spült uns mit ihren dämlichen Algorithmus-Veränderungen Beiträge rein, die wir gar nicht abonniert haben. Wir sehen angeblich Beiträge, die unserem Geschmack entsprechen und dabei nur umso mehr Beiträge von denen die Mogule der Kosmetikindustrie profitieren.
Kennt ihr diese Youtube-Videos, die Euch eigentlich gar nicht interessieren, die aber immer wieder in den Vorschlägen auftauchen? 1-2 Wochen lang ignoriere ich sie und gebe mein Bestes um der Versuchung zu widerstehen auf das Video zu klicken. Irgendwann schlucke ich den Clickbait doch und klicke mit einem mulmigen Gefühl auf ‘Play’.
Und nun?
Keine Ahnung. Ehrlich, ich hab keine Ahnung. Ich glaube, dass man als Individuum diese große Maschinerie und den verschrobenen Schönheitswahn der ganzen virtuellen Gesellschaft eh nicht aufhalten kann. Ich glaube, dass man nur an seiner eigenen Haltung und Wahrnehmung etwas ändern kann. Ich glaube, dass es hilft sich mit Gleichgesinnten auszutauschen – auch im Netz. Ich glaube, dass man sich öfter in der realen Welt treffen sollte um sich daran zu erinnern wie vergrößerte Poren aussehen und wie “cakey” das vermeintlich perfekte Instagram-Make Up in Wirklichkeit aussieht.
Hach, das hast du schön geschrieben.
Mich nervt diese Scheinwelt auch ungemein und ich habe mich damit abgefunden, dass mein Leben und auch mein “Internetleben” nie so perfekt ein wird weil… ich will es einfach gar nicht. Ich will keinen Instagramfeed, der auf Farben abgestimmt ist. Ich will nicht, dass mein Blog nur die schönen Seiten zeigt.
Das Blöde ist, dass genau durch solche Scheinwelten für mich eine Mauer um diese “perfekte Person” gebaut ist und sowas ist einfach absolut dämlich.
Man muss sich treffen können! So wie wir – da muss es nicht perfekt sein 😉
…perfekt ist auch viel zu anstrengend 😉
Ich folge nur wenigen Beautyblogs oder -Youtubern, aber diesen Schönheitswahn habe ich trotzdem mitbekommen. Für mich wäre das nichts, ich will auch gar nicht perfekt sein, wie Sissy schon schreibt, ist das viel zu anstrengend! Außerdem finde ich Leute mit kleinen Makeln viel interessanter 🙂 Halt normale Leute wie von nebenan!
Liebe Grüße
Jana
Oh ein toller Beitrag, ich kenne das, manchmal habe ich sogar zwei Beiträge an einem Tag veröffentlicht. Das schaffe ich jetzt gar nicht mehr, durch meine Arbeit und Fortbildung.
Liebe Grüße Lisa
von Pinkybeauty.de
Das hast du wirklich toll geschrieben. Stimme dir voll und ganz zu.
Ein toller Beitrag! Du hast vollkommen Recht! Heutzutage muss alles auf scheinbar perfekt getrimmt sein und das kann nerven und sehr anstrengend sein.
Liebe Grüße,
Jenny
http://www.rockerbella.de
Dieser Artikel bringt die ganze Veränderung grad so auf dem Punkt. Alles hat sich so krass verändert. Ich vermisse die Mädels von nebenan sehr und weiß gar nicht wie sich das alles noch entwickeln soll. Vielen Dank für deine tollen und wahren Worte! Liebe Grüße Helin
Ein schöner Beitrag! Ich hatte diese Anfangszeit des Bloggens verpasst, weil ich ewig lange noch gar kein Internet daheim hatte. 🙁